Vor ein paar Tagen erhielt ich einen Newsletter via LinkedIn: "Software analysiert Bewerber und Lebensläufe im Kontext". Die Idee dahinter: Lebensläufe mithilfe eines Algorithmus bewerten und filtern. Die Bewerber sind ihrerseits verpflichtet, die Lebensläufe in standardisierten Formaten einzureichen, so wie es bei elektronischen Bewerbungssystemen seit langem Usus ist. Die eingehenden Informationen werden vom Algorithmus in der Folge dahingehend bewertet, ob sie relevant sind im Hinblick auf die gewünschte Position.

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Die Idee hört sich attraktiv an, wenngleich sie alles andere als neu ist. Eine automatisierte Vorselektion könnte Recruitern in der Tat helfen eine Menge Zeit zu sparen. Anstatt alle eingehenden Bewerbungsbriefe samt Begleitunterlagen lesen zu müssen, könnten Sie sich auf jene Lebensläufe konzentrieren, die es auf die vom Programm erstellte Shortlist schaffen. Ein solcher Zugang erfordert enormes Vertrauen in die - von Menschen geschaffenen - Algorithmen. Bei allen Vorbehalten, die es in diesem Punkt geben kann und muss, denke ich nicht, dass hier in der Praxis gröbere Probleme entstehen würden. Die meisten Recruiter in großen Konzernen haben Erfahrung mit Software-Systemen und sind sich der Unzulänglichkeiten von Automatisierungstools durchaus bewusst. Sie agieren in der Regel mit entsprechender Vorsicht (manuelle Cross-Checks eingeschlossen, und wenn sie nur oberflächlicher Natur sind.) Die wirklichen Probleme liegen woanders.

  1. Die Herangehensweise, qualitative Informationen in quantitative Datensätze zu transformieren, führt mit der Zeit wohl unweigerlich zu standardisierten Optimierungsstrategien, wie wir sie aus dem SEO-Bereich (bis vor gar nicht allzu langer Zeit) kannten. Stichwort: sinnbefreite Keywordkaskaden. Frei nach Murphy's Law: wenn Algorithmen bezirzt werden können, werden sie bezirzt...
  2. Der Zwang, die Geschichte des eigenen (Berufs)Lebens in einem für ein elektronisches System verarbeitbaren Standardformat vorlegen zu müssen, bedeutet unweigerlich einen Verlust an individuellem Storytelling. Gute Recruiter haben viel Erfahrung damit, aus der Art und Weise, wie jemand seinen Lebenslauf aufbaut und (visuell) gestaltet, valide Schlüsse zu ziehen (ist jemand sehr strukturiert und auf Ordnung bedacht oder kreativ etc.) Natürlich birgt eine Interpretation von Metakommunikation nicht weniger Risiken als ein unzulänglicher Algorithmus, dennoch sollte gut überlegt werden, ob man eine Informationsdimension aufgibt, in der ob ihrer intuitiven Natur sehr viel an individueller Information steckt. Klar ist: das alles zu sichten und individuell zu bewerten macht mehr Aufwand als einen automatisierten Report mit einer Shortlist zu lesen.

Personaldiagnostik als Ergänzung

Der klassische Weg - die Bewerber präsentieren ihre Lebensläufe in ihren eigenen Formaten - PLUS eine online-basierte Personaldiagnostik sind ein besserer Weg als automatisierte Messsysteme von Standardformaten. Er ermöglicht ein vollständiges und balanciertes Bild von den Hard Skills, Soft Skills (gerade in Projektteams enorm wichtig!) sowie der Kompatibilität von Bewerbern mit der Unternehmenskultur.

Bei workinprogress arbeitet mit Mag. Claudia Schwingenschlögl eine ausgewiesene HR-Expertin mit viel Erfahrung im klassischen Recruiting und exzellenter Expertise in Sachen online-basierter Personaldiagnostik. Kontaktieren Sie sie unter cl@workinprogress.at .

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